Tobias Bahr verteidigt seine Dissertation erfolgreich

27. November 2024

Am Mittwoch, den 27. Novemeber 2024 verteidigte Tobias Bahr seine Dissertation erfolgreich mit summa cum laude
[Bild: Thomas Luibrand]

Wir gratulieren unserem Kollegen ganz herzlich zur erfolgreich verteidigten Dissertation – und das mit summa cum laude!

Titel der Dissertation:
„Das interdisziplinäre Profilfach Informatik, Mathematik, Physik (IMP) – Eine explorative Forschungsstudie zur unterrichtsfachlichen Umsetzung, den Lehrenden und Lernenden des Profilfachs“ 

Kurzfassung:
Der Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT) und darunter insbesondere die Informatik stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Dazu gehören ein anhaltender Fachkräftemangel, der auch hochqualifizierte Fachkräfte mit einschließt, sowie der Gender Gap. Frauen sind in Deutschland im Vergleich zu Männern deutlich unterrepräsentiert. Dies betrifft sowohl die Informatik als auch die mathematisch, natur- und technikwissenschaftlichen Studiengänge. Bereits bei der Kurswahl, dem Selbstkonzept, dem Fachinteresse und der Motivation in der Schule zeigen sich bei Schüler:innen in MINT-Fächern Geschlechterunterschiede. Gleichzeitig gewinnen die Inhalte zu Data Literacy, Computational Thinking und AI Literacy, um nur ein paar Beispiele zu nennen, sowie die interdisziplinären Kompetenzen in der MINT-Bildung zunehmend an Bedeutung. Aus diesem Grund fordern mehrere Fachverbände sowie die Bildungsadministration die Einführung von Informatik als Pflichtfach. In diesem Kontext steht im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit das Wahlpflichtfach Informatik, Mathematik, Physik (IMP).

Im Jahr 2018 wurden in Baden-Württemberg sowohl das Fach Informatik verpflichtend in Klasse 7 für alle Schüler:innen als auch das Wahlpflichtfach IMP als Profilfach von Klasse 8 bis 10 an allgemeinbildenden Gymnasien eingeführt. In Bezug auf dieses interdisziplinäre Profilfach bestehen diverse Fragestellungen zur unterrichtlichen Umsetzung, den Lernendenmerkmalen (Fachinteresse, Motivation, Selbstkonzept, berufliche Orientierung) sowie dem tatsächlich erworbenen Informatik-Fachwissen der Schüler:innen.

Einzelne empirische Studien zu den Lernendenmerkmalen im Kontext von Interventionsprogrammen im Informatikunterricht (u. a. zu Robotik, Data Literacy, Informatik in der Grundschule, etc.) liegen mit unterschiedlicher Qualität vor. Nach den mir vorliegenden Daten existiert bisher kein systematisch erhobenes Beschreibungswissen zur unterrichtlichen Umsetzung, sowie zu den Schüler:innen im interdisziplinären Profilfach IMP. Im Vergleich zu den etablierten Unterrichtsfächern wie Mathematik und Physik wird der empirische Forschungsstand hinsichtlich verschiedener Lernendenmerkmale (u. a. dem Fachinteresse und Fachwissen) in der Fachdidaktik Informatik im schulischen Kontext von mehreren Forscher:innen als ausbaufähig beschrieben.

Die Ausgangssituation für das Forschungsanliegen dieser Arbeit ist zudem dadurch charakterisiert, dass valide Testinstrumente zur Erfassung aller Themenbereiche des Informatik-Fachwissens für die Sekundarstufe I fehlen. Validierte Testinstrumente existieren nur in einzelnen Themenbereichen, unter anderem für Kontrollstrukturen und Computational Thinking (mit einer blockbasierten Programmierumgebung), oder für die Sekundarstufe II. Die drei übergeordneten Ziele dieser Arbeit liegen erstens in der Generierung eines systematischen Beschreibungswissens zu ausgewählten Merkmalen der Lernenden, zweitens der unterrichtlichen Umsetzung des Profilfachs durch die Lehrenden und drittens zur Generierung eines systematischen Beschreibungswissen zum Informatik-Fachwissen der Schüler:innen.

Der theoretische Rahmen dieser Arbeit orientiert sich an den einschlägigen Angebots-Nutzungs-Modellen zum Unterricht, sowie dem vorliegenden Forschungsstand. Die eigene Untersuchung umfasst fünf Studien. Studie 1 untersucht die Nutzungs-Ebene (u. a. Geschlechterverteilung, Motivation und Wahlverhalten) mittels einer explorativen qualitativen und quantitativen Fragebogenstudie mit IMP-Schüler:innen zu den ausgewählten Lernendenmerkmalen. Studie 2 betrachtet die Angebots-Ebene (u. a. Qualifikationsprofile der Lehrpersonen, Vernetzung der drei beteiligten Fächer) durch eine explorative qualitative Interviewstudie mit IMP-Lehrpersonen. Im Mittelpunkt der Studien 3 bis 5 steht die Ergebnis-Ebene (u. a. Fachwissen Informatik). Im Rahmen dieser Arbeit wurde ein Informatik-Fachwissenstest entwickelt, pilotiert und für die Fachbereiche Algorithmen und Datensicherheit validiert. Abschließend werden die studienübergreifenden Aspekte zwischen den drei Ebenen (Angebot, Nutzen und Ergebnis) betrachtet.

Im Überblick zeigen die Untersuchungsergebnisse, dass überwiegend Schüler (ca. 70 %) das Profilfach wählen. Es bestehen Geschlechterunterschiede im fachspezifischen Selbstkonzept von IMP, wobei Schüler im Durchschnitt höhere Werte aufweisen als Schülerinnen. Im Gegensatz dazu zeigen sich keine signifikanten Geschlechterunterschiede in Bezug auf das Fachinteresse an IMP, die Motivation in allen sechs Facetten (von amotiviert bis interessiert), das MINT-Interesse und die berufliche Orientierung im Bereich Natur- und Technikwissenschaften. Hinsichtlich der Angebotsebene variiert die unterrichtliche Umsetzung von fachisoliert über fachübergreifend bis hinzu fächerkoordinierenden Unterricht. Gleichzeitig betrachten Lehrpersonen die interdisziplinäre Umsetzung als Chance zur Vernetzung der drei Fachbereiche und Profilbildung für Schüler:innen, obwohl Geschlechterungleichheiten, Ausstattungsmängel und ein voller Stundenverlaufsplan allgemeine Herausforderungen darstellen. Im Rahmen eines iterativen Prozesses wurden mittels Klassischer Testtheorie (KTT) und Item-Response-Theorie (IRT) zwei Fachwissenstests zu den Themenbereichen Algorithmen und Datensicherheit mit IMP-Schüler:innen validiert. Die Ergebnisse zeigen, dass viele Schüler:innen Schwierigkeiten im Themenbereich Algorithmen haben. Mittels Strukturgleichungsmodell konnten 40.09 % der Varianz des Informatik-Fachwissens in den Bereichen Algorithmen, Rechner und Netze sowie Datensicherheit durch das Fachinteresse an Informatik und der kognitiven Leistungsfähigkeit (fluide Intelligenz) erklärt werden.

Zusammenfassend gewährt diese Arbeit erstmals einen empirischen Einblick in das Profilfach IMP und liefert systematisch erhobene Erkenntnisse zum Angebot, der Nutzung und den Ergebnissen im Profilfach IMP. In der Arbeit wurden zudem zwei Fachwissenstests entwickelt, validiert und der Computer Science Education (CSE)-Community zur Verfügung gestellt. Die Befunde der Arbeit bieten unter Berücksichtigung ihrer Limitationen evidenzbasierte Erkenntnisse zum Profilfach IMP und weisen auf potenzielle Ansatzpunkte für die weiterführende Forschung im Bezugsfeld der Fachdidaktik Informatik hin.

Nachfolgend ein Ausschnitt der Feier:

Feier nach der Verteidigung
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